„Patricias Weg nach oben“
Aus: „Neuer Job in Aussicht“
„Warum sollten wir bei gleicher Qualifikation Sie einstellen und nicht einen männlichen Bewerber?“, fragte der Vertriebsleiter, Herr Bronner.„Diese Frage würden Sie sicher einem männlichen Kandidaten nie stellen“, entgegnete Patricia, „aber ich will gerne darauf antworten.“
„Wie stark würde ich als Vertriebschefin bei ihrem Unternehmen akzeptiert werden? Wenn Sie diese Frage positiv beantwortet haben, denken Sie wahrscheinlich: ,Was machen wir denn, wenn Frau Dorsten in absehbarer Zeit heiratet oder schwanger wird, müssen wir uns dann schon wieder nach einem Nachfolger umsehen?’“
„Solche Gedanken sind doch nicht abwegig für Sie, oder?“, fragte Patricia und fuhr fort: „Sie müssen wissen, was Sie wollen und wen Sie wollen. Sie kennen doch die Studien über Unternehmen, in denen Frauen in der Geschäftsleitung oder im Vorstand sind. Sie arbeiten deutlich erfolgreicher. Zusätzlich werden 80% aller Käufe von Frauen getätigt, ist es da clever, wenn alles im Unternehmen von Männern bestimmt wird? Wohl kaum.“
Bevor ihre Gesprächspartner antworten konnten, sprach Patricia weiter: „Ich werde auch ein paar Monate nach einer Schwangerschaft auf alle Fälle in das Unternehmen zurückkehren. Für mich gibt es keine Entscheidung Kind oder Karriere, sondern Kind und Karriere. Ich bin keine Frau, die sich nach einer Schwangerschaft zurückziehen will, sondern die Erfüllung und Selbstverantwortung durch die Verknüpfung von Beruf- und Privatleben sucht.“
Diese Antwort zeigte Wirkung. Das Thema „Mann oder Frau“ war damit abgehakt. Der Vertriebs- und der Personalchef konzentrierten sich im Weiteren auf Sachfragen.
Es war Freitagabend und Patricia freute sich auf das Wochenende. Sie kam nach Hause, öffnete den Briefkasten und fand ein Couvert der Firma Superbe. Erwartungsvoll öffnete sie den Umschlag und begann zu lesen: „Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir uns für einen anderen Bewerber entschieden haben. Sehen Sie das bitte nicht als Wertung Ihrer Person …“
Patricia fiel aus allen Wolken. Sie war sich so sicher gewesen, die Position zu erhalten. „Bestimmt hat diese Stelle ein Mann bekommen“, vermutete sie sofort. „Vielleicht bin ich zu selbstbewusst und keck aufgetreten, oder wollte Herr Bronner doch lieber einen männlichen Nachfolger?“
Erregt suchte sie nach weiteren Gründen für ihre Ablehnung, denn in den letzten Jahren hatte sie jeden Job bekommen, den sie haben wollte. Deshalb nagte diese Entscheidung an ihrem Ego und leichte Selbstzweifel kamen auf.
Nachdem sie sich ein wenig beruhigt hatte, rief sie ihre beste Freundin Ellen Hengstmann an.
„Ellen, ich muss dich unbedingt kurz sprechen. Geht das?“
„Ja, sicher, was ist los?“, antwortete Ellen.
„Wie du weißt, hatte ich vor drei Wochen in Düsseldorf einen Vorstellungstermin bei Superbe. Ich war mir nach dem Termin so sicher, dass ich als neue Sales Managerin International engagiert werden würde. Doch heute bekam ich die Absage. Ich bin total down. Vermutlich hat ein männlicher Bewerber das große Los gezogen.“
„Patty, jetzt hör mal gut zu“, entgegnete Ellen. „Du bist eine überaus erfolgreiche Managerin und brauchst dir keine Gedanken dazu machen, dass du die Position nicht bekommen hast, nur weil du eine Frau bist. Solche Fragen würden sich Männer nie stellen. Nur wir Frauen suchen den Grund sofort bei uns. Du bist selbstbewusst genug, dass du dich nicht hinter solchen Rechtfertigungen zu verstecken brauchst. Für Selbstzweifel besteht überhaupt kein Anlass. Suche auch nicht den Grund darin, dass du vielleicht zu keck aufgetreten bist. Patty, jedes Unternehmen hat diejenigen Manager, die es verdient. Superbe hat dich eben nicht verdient. Du hast deinen Erfolg aus meiner Sicht bisher hauptsächlich deshalb errungen, weil du immer authentisch geblieben bist. Bei dir weiß man, woran man ist, und kann sich auf dich verlassen.“
Aus: „Klassentreffen“
Sie sprachen über ihre unterschiedlichen Lebensläufe und tauschten ihre Erfahrungen im privaten und beruflichen Bereich aus. Beim Thema „Kind und Beruf“ entstand eine hitzige Diskussion.Margot ergriff als Erste das Wort: “Ich finde, dass sich Kindererziehung und Vollzeitarbeit der Mutter nicht miteinander vereinbaren lassen. Ein Kind braucht einfach seine Mutter. Warum habe ich denn ein Kind bekommen, wenn ich es nach ein paar Monaten schon zur Kinderkrippe gebe? Das sind für mich alles Rabenmütter oder karrieregeile Weiber.“
„Aus dir spricht die ,Mutter-Glucke’, meldete sich Jacqueline Moureau zu Wort. „Kinder brauchen nicht unbedingt immer ihre Mutter, sie brauchen Bezugspersonen. Weshalb sollten Mütter, die bisher an der Uni und in verschiedenen Unternehmen waren, besser zur Kinderbetreuung geeignet sein als ausgebildete Erzieherinnen? Fühlst du dich immer glücklich und ausgelastet, oder sehnst du dich nicht auch mal nach einer Anerkennung in dem Beruf, den du eigentlich ergreifen wolltest? Für mich hast du einen Mutterkomplex, weil du versuchst, andere Frauen, die Beruf und Kinder miteinander vereinen wollen, zu denunzieren. Warum hast du denn Germanistik studiert, wenn du jetzt ein Hausfrauendasein fristest?“, fragte Jacqueline.
„Ich bin sehr gerne Hausfrau“, konterte Margot, „ich habe genügend Zeit für mein Kind und meinen Mann. Peter ist Geschäftsführer eines Handelsunternehmens und beruflich sehr eingespannt. Da genießt er es, dass ich flexibel mit meiner Zeit umgehen kann.“
„Wenn du gerne Hausfrau bist, ist das okay, Wie sieht es aber mit deinen Ansprüchen aus?“, stieg Patricia in das Gespräch ein. Ich habe dich als eine redegewandte Frau in Erinnerung, die sich für viele Themen wie z.B. auch Politik und Wirtschaft interessierte. Hast du das alles den Themen Babynahrung, Windeln, Haus und Garten oder Shopping geopfert?“
Aus: „Patricia startet durch “
Patricia und Stephan spürten bei ihrer Unterhaltung, wie sehr sie beide das Thema Kinderbetreuung an Traudl und Sonja delegiert hatten. Sie mussten sich nicht wundern, dass Jenny und Max eine so innige Beziehung zu ihrem Kindermädchen hatten. Dies machte insbesondere Patricia zu schaffen. …„Ist das der Preis, Stephan, den wir beide zu bezahlen haben, weil wir beruflich so stark eingespannt sind und wenig Zeit für unsere Kinder haben?“, fragte Patricia.
„Es geht meines Erachtens nicht um die Anzahl der Stunden, die wir mit unseren Kindern zusammen sind. Viel wichtiger ist für sie, wie intensiv wir die gemeinsame Zeit mit ihnen verbringen und wie präsent wir dann sind, wenn wirklich Probleme auftreten. Ich kann nur mich sprechen Patricia. Wenn unsere Kinder einmal größere Probleme oder spezielle Krankheiten hätten, was niemand wünschen möge, würde ich mich auch zeitweise aus der Praxis ausklinken, um für sie da zu sein.“
„Es würde unseren Kindern nicht viel nutzen, wenn wir zwar mehr Zeit für sie hätten, aber unglücklich mit unserer beruflichen und privaten Situation wären. Kinder brauchen glückliche Eltern, das andere lässt sich lösen“, meinte Stephan.
„Manchmal plagt mich mein schlechtes Gewissen, wenn ich sehe, wie sehr Jenny an Traudl hängt. Ich frage mich dann, habe ich auch meine Mutterrolle an sie abgetreten? Es ist ja fast normal, wenn Jenny für Traudl mehr empfindet als für mich. Sie sieht Jenny viel mehr, hat viel mehr Zeit für sie, kocht für sie, spielt mehr mit ihr, löst auch ihre kleinen Probleme, wenn welche auftreten, kurz gesagt, sie ist fast immer für sie da.“ Tränen kullerten Patricia über ihre Wangen und Stephan umarmte und küsste sie.